Erbschaftsteuerrecht

Erbschaftsteuerrecht – quo vadis?

Das Erbschaftsteuergesetz ist vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden. Das Gesetz sollte dennoch fortbestehen, bis eine Neuregelung durch den Gesetzgeber erfolgt. Dazu war eine Frist bis zum Ende Juni 2016 gesetzt worden. Der Bundestag hat zwar eine Anpassung der beanstandeten Gesetzesbestandteile zur Unternehmensbesteuerung im Juni beschlossen, der Bundesrat hat nicht zugestimmt, sondern den Vermittlungsausschuß angerufen. Somit versäumte der Gesetzgeber die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist. Nun stellt sich die Frage, ob das für verfassungswidrig erklärte Gesetz zur Schenkungs-und Erbschaftsbesteuerung noch weiter Gültigkeit hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungswidrigkeit nur festgestellt, das Gesetz ist damit noch nicht aufgehoben. Nunmehr kündigt das Bundesverfassungsgericht eine Fortsetzung des Verfahren in heutiger Pressemitteilung an:

Nach Ablauf der in Sachen „Erbschaftsteuer“ gesetzten Frist zur Neuregelung soll das Normenkontrollverfahren erneut auf die Tagesordnung

Pressemitteilung Nr. 41/2016 vom 14. Juli 2016

1 BvL 21/12

Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen (vgl. Pressemitteilung Nr. 116/2014 vom 17. Dezember 2014).

Zwar gelten die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes fort. Da eine entsprechende Gesetzesänderung bis heute nicht vorliegt, hat der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, nunmehr mit Schreiben an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat vom 12. Juli 2016 mitgeteilt, dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen wird.

 

Anmerkungen von RA Dr. Wieland:

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber vor Ende September die Neuregelung zum Erbschaftsteuergesetz verwirklichen kann.

Selbst dann stellt sich jedoch die Frage, ob dadurch die bisherige verfassungswidrige Gesetzeslage fortbesteht oder für unwirksam erklärt wird.

Dazu folgende Überlegungen: Steuerbescheide zu Erbschaften und Schenkungen sollten keinesfalls mehr akzeptiert werden, d.h. es sollte vorsorglich Einspruch innerhalb der offenen Frist eingelegt werden, auch wenn der Bescheid mit dem Vorläufigkeitsvermerk wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts versehen ist. Sie können Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Überprüfen Sie Ihre Schenkungsurkunden: Sind dort Rücktrittsrechte oder Rückforderungsrechte vereinbart worden, für den Fall, dass das Erbschaftsteuerrecht sich günstiger entwickelt oder wegfällt? Dann lassen Sie sich beraten, ob es sinnvoll ist, eine solche Rückübertragung zu veranlassen. Dies kann zur nachträglichen Aufhebung von Schenkungssteuerbescheiden führen.

Planen Sie eine Schenkung? Lassen Sie sich beraten, welche Rücktritts- oder Rückforderungsklauseln jetzt vereinbart werden sollten, um die zukünftige Rechtsentwicklung ggf. nutzen zu können.

Nachstehend das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsteuergesetz:

Das Erbschaftsteuergesetz ist insgesamt verfassungswidrig, es bleibt jedoch für eine Übergangszeit bis zur Neuregelung, spätestens bis 30.06.2016 in Kraft. Das bedeutet: Die bislang veranlagte und erhobene Erbschaftsteuer wird nicht zurückbezahlt. Bis zur Neuregelung können die Steuerfreistellungen weiter genutzt werden, die gesetzlichen Besteuerungsgrundlagen bleiben anwendbar. Unternehmer, die in die nächste Generation Firmenvermögen übertragen wollen, sollten jetzt handeln, wenn nach geltendem Recht dies weitgehend ohne steuerliche Belastung möglich sein sollte. Bei Vermögensübertragungen kann ein vertraglicher Vorbehalt aufgenommen werden, dass im Falle einer günstigeren zukünftigen Regelung, die zu keiner oder einer geringeren Belastung führt, die Schenkung rückgängig gemacht werden kann.

Nachstehend die abgedruckte Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht:

Bundesverfassungsgericht -Pressestelle- Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar Pressemitteilung Nr. 116/2014 vom 17. Dezember 2014 Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschriften sind zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Zwar liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und 13b ErbStG sind auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Die Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung einstimmig ergangen; davon unberührt bleibt das von den Richtern Gaier und Masing sowie der Richterin Baer abgegebene Sondervotum. Sie können den vollständigen Text der PM auf der Website des Bundesverfassungsgerichtes nachlesen. Sie haben noch Fragen? Wir stehen Ihnen bei gern zum Erbrecht in München zur Verfügung.