Zivil- und Wirtschaftsrecht

Corona Krise – Schutzschirm für Mieter und Darlehensnehmer, Insolvenzschutz

Der Bundesrat hat am 27.03.2020 zahlreichen Änderungen unter anderem im Miet- und Insolvenzrecht zugestimmt, die der Bundestag zwei Tage zuvor verabschiedet hatte. Ziel des Gesetzes ist, die Folgen der Corona-Pandemie für Bürger abzumildern.

Wir prüfen gerne für Sie, ob diese neuen gesetzlichen Regelungen Auswirkungen für Sie haben und ob die Zahlungserleichterungen von Ihnen in Anspruch genommen werden können. Auf der anderen Seite prüfen wir aber auch, ob ihr Vertragspartner sich nicht zu Unrecht auf die neuen Zahlungserleichterungen beruft und Sie ihre Zahlungsansprüche trotz der Gesetzesänderungen gleichwohl durchsetzen können.
Die Gesetzesänderung vom 27.03.2020 wird nur ein erster Schritt sein, mit dem der Gesetzgeber auf die Pandemie reagiert. Wir prüfen die laufende Entwicklung ständig und werden auf neue Corona-bedingten Gesetzesänderungen auf unserer Internetseite hinweisen. So zeigt sich zum Beispiel schon jetzt, dass die Zahlungserleichterungen im Mietrecht auch von Mietern in Anspruch genommen werden (solvente Großunternehmen), für die die Regelungen nicht in erster Linie gedacht waren. Hier ist mit Nachbesserungen des Gesetzgebers zu rechnen.

In seinem ersten Schritt hat der Gesetzgeber folgende wichtige Punkte neu geregelt.

Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen
Anders als vielfach angenommen, hat der Gesetzgeber nicht geregelt, dass Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 30.06.2020 von der Verpflichtung zur Mietzahlung befreit werden. Diese Mieten werden auch nicht gestundet. Der Gesetzgeber hat hier vielmehr die Kündigungsmöglichkeiten wegen Mietzinsrückständen eingeschränkt. Mietverhältnisse können normalerweise nämlich dann aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Diese Kündigungsmöglichkeit wird nun eingeschränkt. Der Gesetzestext (Abs. 1) lautet hierzu wie folgt:
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt

Dies bedeutet:
• Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht kündigen, wenn der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 keine Miete zahlen kann.
• Der Gesetzgeber hat sich im Übrigen bereits vorbehalten, diesen Zeitraum bis zum 30.09.2020 zu verlängern.
• Der Mieter muss aber glaubhaft machen können, dass die Nichtzahlung ihren Grund in der Corona-Krise hat.
• Der Vermieter darf das Mietverhältnis aber aufgrund von Mietrückständen kündigen, die vor dem 01.04.2020 oder nach dem 30.06.2020 entstanden sind.
• Der Vermieter kann die Kündigung auch nach wie vor aus allen anderen sonstigen Gründen erklären, etwa wegen Eigenbedarfs oder wegen eines Fehlverhaltens des Mieters gegenüber dem Vermieter.
• Die Kündigungsbeschränkung endet am 30.09.2022. Spätestens bis zu diesem Tag müssen die Mietrückstände aus dem Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 also nachbezahlt sein.

Andere Dauerschuldverhältnisse: Zahlungspause bis 30.06.2020
Bei anderen Dauerschuldverhältnissen, dies sind insbesondere auch Versicherungsverträge und Verträge über die Grundversorgung mit Strom, Gas und Wasser, sowie Telekommunikationsverträge, kann eine Zahlungspause verlangt werden. Die gesetzliche Regelung (Abs. 1) lautet wie folgt:
Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.

Dies bedeutet:
• Wichtig: Diese Regelung gilt auch für Kleinstunternehmer.
• Verbraucher und Kleinstunternehmer haben das Recht, Leistungen aus einem Vertrag, der vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde, bis zum 30.06.2020 zu verweigern.
• Dies gilt jedoch nur, wenn die Leistung infolge der Corona-Pandemie nicht erbracht werden kann oder die Erbringung der Leistung die Existenz gefährden würde.
• Das Leistungsverweigerungsrecht gilt auch für Forderungen, die keine Geldforderungen sind, also etwa für Händler, die die geschuldeten Waren nicht mehr liefern können, oder für Bauunternehmen, die die Fertigstellungsfrist nicht einhalten können.
• Der Schuldner, der wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann, muss sich ausdrücklich auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen und nachweisen können, dass er gerade wegen der COVID-19-Pandemie nicht leisten kann.
• Das Leistungsverweigerungsrecht berührt nicht die Leistungspflicht selbst. Sie ist nach Ablauf des Moratoriums zu erfüllen.
• Wichtig: Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nicht, wenn dessen Ausübung für den Vertragspartner seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebs gefährden würde. Es muss somit abgewogen werden, welche der beiden Vertragspartner schutzwürdiger ist. Hier ist Streit also vorprogrammiert.
• Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nicht nur Arbeitsverhältnisse.
• Der Gesetzgeber hat sich bereits vorbehalten, dieses Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30.09.2020 zu verlängern.

Darlehensverträge: Stundung für Kreditnehmer
Auch für Darlehensverträge von Verbrauchern wurde eine Erleichterung eingeführt. Dabei handelt es sich um eine echte Stundung kraft Gesetzes. Die gesetzliche Regelung (Abs. 1) lautet wie folgt:

Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist ihm die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.

Dies bedeutet:
• Die Darlehensnehmer werden für eine Übergangszeit vor einer Kündigung geschützt, indem die Darlehensforderungen zunächst kraft Gesetzes gestundet werden. So gewinnt der Darlehensnehmer Zeit, Hilfsangebote wahrzunehmen und andere Unterstützungen zu beantragen.
• Die Regelung gilt nur für Darlehensverträge, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden.
• Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 fällig sind, werden für die Dauer von drei Monaten gestundet.
• Voraussetzung ist auch hier dass der Darlehensnehmer aufgrund der Corona-Krise Einnahmeausfälle hat, weshalb es ihm nicht zumutbar ist, das Darlehen in dieser Zeit weiter zu bedienen.
• Trotz der Stundung kraft Gesetzes ist der Darlehensnehmer berechtigt, das Darlehen auch in der Zeit vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 weiter zu bedienen.
• Nach Ablauf des 30.06.2020 ist der Darlehensnehmer nicht verpflichtet, die gestundeten Beträge sofort nachzuzahlen, denn dann hätte er in den Folgemonaten ja eine Doppelbelastung mit den gestundeten Beträge und den laufenden Raten. Die Vertragsparteien sollen stattdessen gemeinsam eine einvernehmliche Lösung für die Zeit nach dem 30.06.2020 finden.
• Wenn eine solche Lösung nicht gefunden wird, verlängert sich der Darlehensvertrag um drei Monate, d. h. die gestundeten Beträge sind erst nach dem ursprünglichen Ende des Darlehensvertrags nachzubezahlen.
• Auch hier hat sich der Gesetzgeber bereits vorbehalten, die Stundung bis zum 30.09.2020 zu verlängern.

Erleichterungen im Insolvenzrecht
Auch im Insolvenzrecht wurden Erleichterungen eingeführt. Unternehmen, die infolge der Corona-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, sollen durch diese Änderung am Leben erhalten werden. Die gesetzliche Regelung lautet wie folgt:
Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Dies bedeutet:
• Unternehmen, die zahlungsunfähig geworden sind, sind normalerweise verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ist nun bis zum 30.09.2020 ausgesetzt.
• Dies gilt aber nur, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht oder wenn Aussicht darauf besteht, dass die bestehende Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt wird.
• War das Unternehmen am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig, so wird gesetzlich vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
• Auch das Anfechtungsrecht wurde geändert. Zahlungen, die ein Gläubiger von einem Schuldner erhält, bei dem im Zeitpunkt der Zahlung Zahlungsunfähigkeit bestand oder drohte und über dessen Vermögen später ein Insolvenzverfahren eröffnen wird, können unter gewissen Umständen vom Insolvenzverwalter angefochten und zurückverlangt werden. Dies gilt nach der Gesetzesänderung nun ausdrücklich nicht für Zahlungen, die der Schuldner im Zeitraum 01.03.2020 bis 30.09.2020 an seinen Gläubiger erbringt. Diese Zahlungen können von einem späteren Insolvenzverwalter nicht zurückverlangt werden.